Viel Glück, Michi!
Titelbild: Daniel Shaked, FK Austria Wien
„Michi“ möchte er genannt werden. „Die Lehrerin in meiner Schule hat mich Michael genannt. Da wusste ich, dass etwas Schlimmes kommt“, sagt er. Jetzt ist er, Michael Wimmer, der neue Cheftrainer des FK Austria Wien – und es kommt hoffentlich nicht „etwas Schlimmes“ auf die Austria zu. Fragen zu seinem Vornamen wird er zunächst aber ohnehin nicht beantworten müssen. Eher sind es sportliche Fragen und Wimmer muss an seinem neuen Arbeitsplatz rasch liefern, um die turbulenten Wochen hinter der Austria zu lassen und die hohen Erwartungen an den Schmid-Nachfolger zu erfüllen.
Über Austrias Neuen
Am Dienstag-Vormittag wurde Michael Wimmer als der neue Austria-Trainer vorgestellt. Geboren in Bayern, was auch hörbar ist, hatte der 42-Jährige keine große Spielerkarriere, sondern wurde schon im Alter von 30 Jahren Trainer. Acht Jahre trainierte er beim 1. FC Nürnberg die U15, U16 und U17. Es folgten zwei Saisonen als Co-Trainer beim FC Augsburg, ehe Wimmer 2019 vom VfB Stuttgart abgeworben wurde. Dort assistierte Wimmer zuerst Tim Walter und anschließend Pellegrino Matarazzo. Als Letzterer im Oktober beurlaubt wurde, übernahm Wimmer selbst als Cheftrainer.
Sieben Pflichtspiele war Wimmer in der Herbstsaison Cheftrainer des VfB. Alle vier Heimspiele konnte er gewinnen, dabei erzielte der VfB gar 14 Tore in nur vier Spielen, wenn auch zwei Mal gegen die Letzten der ersten beiden Bundesligen (inkl. Pokal) und zwei Mal erst last-minute in der Nachspielzeit. Dennoch waren diese Ergebnisse und auch der gezeigte „Kick“ durchaus beachtlich, denn zuvor konnte der VfB kein einziges seiner neun Liga-Spiele gewinnen, unter Wimmer gleich die ersten zwei Pflichtspiele mit 10:1 Toren, zudem wurde auch Köln bei einer USA-Reise im November besiegt. Auswärts hingegen setzte es in drei Spielen drei Niederlagen und nur ein einziges Tor konnte erzielt werden, zehn wurden kassiert. Letztlich ersetzte der VfB Wimmer durch Bruno Labbadia – just am 5. Dezember, also dem selben Tag, an dem sich auch die Austria von Manfred Schmid trennte.
Über seine Spielidee
Wimmer wollte nicht zurück in die zweite Reihe, sondern Cheftrainer bleiben und verließ die Schwaben. Es dauerte nur vier Wochen, bis er die Chance dazu bekommt – in Wien, am Verteilerkreis. Dabei wartet auf ihn ein ähnlich unruhiges Umfeld wie zuletzt in Stuttgart. Dass er dort rasch liefern und die einzigen drei Saisonsiege, sowie den Aufstieg ins Pokal-Achtelfinale einfahren konnte, spricht für ihn, ebenso wie sein rhetorisch versiertes, kompetentes Auftreten, das der Austria jetzt gut tun kann. Auch deckt sich die Spielidee von Wimmer deutlicher mit jener von Jürgen Werner & Co. als es jene von Schmid tat. Wimmer steht für einen intensiven, offensiven Fußball, scheut auch das Risiko nicht. „Gierig und direkt im Spiel nach vorne“ nannte beispielsweise Sky das Pokalspiel des VfB unter Wimmer, „offensiv und mutig“ oder „einfach und zielstrebig“ beschrieb der Deutsche selbst seine Spielidee.
Das wurde beim Auswärtsspiel in Dortmund deutlich, als er sich als Vorletzter nicht hinten reinstellte, sondern munter mitspielen wollte. Das Ergebnis war eine 0:5-Schlappe. Die 3-5-2-Formation, mit der Wimmer sein Team in vier der sieben Spiele auf das Feld schickte, wurde auch rund um Jürgen Werners Spielidee zuletzt oft genannt, war jedoch in Stuttgart bereits zuvor unter Matarazzo üblich. In drei Spielen griff Wimmer auf eine Viererkette zurück, zwei Mal im 4-4-2, einmal im 4-3-3. Der Wechsel zwischen Dreier- und Viererkette war auch bei der Austria im Herbst oft gesehen, wenn auch die Formation mit vier Verteidigern deutlich erfolgreicher war.
Ob in Dreier- oder Viererkette – eine Schlüsselfigur darin könnte Kapitän Lukas Mühl einnehmen. Ihn kennt Wimmer auch bereits aus gemeinsamen Nürnberger Zeiten. In Nürnbergs U17 absolvierte Mühl neun Spiele unter Michael Wimmer, war dabei auch Kapitän, so wie jetzt in Wien, wo es zum Wiedersehen kommt. Sie teilen nicht nur ihre bayrische Herkunft und ihre Nürnberger Vergangenheit, sondern auch die niederländische Beraterfirma SEG, die weiters Andreas Gruber berät. Auch Manuel Polster kennt der neue FAK-Coach bereits, sie haben in Stuttgart kurz miteinander gearbeitet.
Andere über ihn
Mit Martin Schmidt, heute Sportdirektor in Mainz, arbeitete Wimmer hingegen in Augsburg zusammen. In der TV-Sendung „Doppelpass“ holte Schmidt im November zur Lobeshymne über Wimmer aus: „Michael Wimmer hat eine super Sozialkompetenz, eine gute, klare Ansprache, im Training ein gutes, sehr prägnantes Coaching. Von der ersten Trainingswoche an habe ich gemerkt, dass er einer ist, der vorangeht, der redet, der laut ist. Ich habe zu ihm gesagt: Du bist ein Cheftrainer – von der Persönlichkeit her auf dem Platz, von der Art und Weise, wie du Spielformen coachst. Du musst unbedingt den Fußball-Trainer machen! Geh’ deinen Weg, du hast das Zeug dazu. Ich habe ihn damals im Sommer 2019 leider verloren, weil er zum VfB gegangen ist. Aber jetzt ist er oben angekommen, und ich könnte mir vorstellen, dass er eine längere Zeit dort oben bleibt.“
Medien sagen Wimmer viel Wert auf die zwischenmenschliche Beziehung nach. Dementsprechend beliebt soll er als Trainer auch in der Stuttgarter Mannschaft gewesen sein. „Die Bilanz spricht für sich, Michi geht sehr auf die Spieler zu, führt viele Gespräche, holt alle ins Boot“, sagte im Oktober der Stuttgarter Stürmer Luca Pfeiffer über seinen Trainer. „Michi ist ein Super-Typ“, sagte mit Waldemar Anton auch ein anderer Spieler über Wimmer. „Kann gut mit jungen Spielern, kann eine Kabine in Flammen setzen, hat Spaß an Emotionen“, beschrieb Sky im Oktober den neuen Austria-Trainer. Emotional und lautstark an der Seitenlinie soll er sein. Weitere Erfahrung hat Wimmer als Spielanalytiker für Sky gesammelt, zuletzt war er auch als Trainer bei St. Pauli im Gespräch, laut eigenen Angaben hatte Wimmer zudem Anfragen aus der Schweiz und Deutschlands 3. Liga.
Über ein violettes Dilemma
Dieser Artikel ist nicht der erste Glückwunsch auf verteilerkreis.at. Am 6. Juni erschien hier der Artikel „Viel Glück, Orti!“, der auf die Herausforderungen in der Kaderplanung nach den Abgängen von Pentz, Martel, Suttner und Grünwald einging. Am 6. Juli erschien der Artikel „Viel Glück, Schmidi!“, der das intensive Herbstprogramm und die gestiegenen Erwartungen am Verteilerkreis thematisierte. Ein halbes Jahr später ist zu hoffen, dass die Glückwünsche an Wimmer mehr fruchten als jene an Ortlechner, dessen Kaderplanung Lücken hinterließ, und an Schmid, der fünf Monate später violette Geschichte wurde.
Mit einem halben Jahr Abstand wirken nicht nur die damaligen Artikel surreal, sondern vor allem viele Bilder aus den letzten Monaten – sei es nach dem Derbysieg im Oktober, nach Platz 3 im Mai oder nach dem emotionalen Heimsieg gegen Altach im November, als Mandi Fischer zum Mikrofon griff. Kurz später ist bei der Austria nur mehr wenig von Euphorie und Zusammenhalt über. Schuld ist daran nicht nur die Entscheidung gegen Manfred Schmid, sondern vor allem auch die Kommunikation und Außendarstellung in den Wochen danach. So muss sich auch Michael Wimmer gefallen lassen, nicht als Wunschkandidat der Austria zu gelten. Vier Wochen benötigte es, um letztlich wenige Stunden vor Trainingsbeginn einen neuen Headcoach vorzustellen. Dass eine für 30. Dezember geplante Präsentation kurzfristig platzte und bei der Ankündigung der Pressekonferenz die falsche Jahreszahl angegeben wurde, waren ein symbolischer Abschluss für verunglückte Wochen. Einige Kandidaten waren nicht zu finanzieren, vor allem haben aber etliche der Austria abgesagt. Hütter, Klauß, Brunmayr, Kohfeldt, Hoeneß, Ismael, Baum, Herrlich und Pogatetz sind nur einige Namen, mit denen sich die Austria zuletzt beschäftigt hat, laut KURIER gehörten gar Peter Stöger und WSG-Coach Silberberger zu den Gesprächspartnern von Jürgen Werner und Manuel Ortlechner.
Sonderlich begehrt war der vakante Job jedoch nicht. Das brachte zum dritten Mal auch Harald Suchard als interne Lösung ins Spiel. Zum dritten Mal wurde er es aber nicht und wird sich wohl überlegen, ob er seinen im Sommer auslaufenden Vertrag verlängern möchte. Diese Frage nicht mehr stellen muss sich Cem Sekerlioglu, der am Montag beurlaubt wurde. Sein Nachfolger als “Co” ist der 46-jährige Türke Ahmet Koc, der Wimmer, aber auch Mühl und Dovedan bereits aus Nürnberg kennt. Zuletzt war Koc Assistenztrainer von Marek Mintal bei Nürnbergs zweiter Mannschaft und interimistisch kurz bei der Kampfmannschaft.
Wimmer heißt er nun, der neue Cheftrainer der Wiener Austria. Er hat einen Langzeitvertrag bis Sommer 2025 unterzeichnet. Berücksichtigt man Stimmung, Erwartungshaltung und Unruhe, hat er wohl einen der gerade undankbarsten Jobs in diesem Lande übernommen. Es ist Michi Wimmer zu wünschen, dass er in diesem kalten Wasser schnell schwimmen lernt.
Sehr gut ge- bzw. beschrieben lieber veilchen27! Ich hab die Spiele vom VfB unter Wimmer gesehen und war beeindruckt, wie schnell er es geschafft hat, den Spielern seine Ideen zu vermitteln. Hoffen wir das Beste!