Interview: Manfred Schmid

Dienstag-Abend, ein langer Tag in der Generali-Arena geht für Manfred Schmid dem Ende zu. Die Analyse des Spiels in Altach, eine Besprechung im Trainerteam, ein Training mit der Mannschaft und mehrere Interviews liegen hinter ihm, ein Interview mit verteilerkreis.at noch vor ihm.

Von 1982 bis 2002 für 20 Jahre als Spieler. Mit 284 Pflichtspielen, drei Meistertiteln, zwei Cuptiteln, drei Supercuptiteln und sieben Siegen in der Wiener Stadthalle für die Kampfmannschaft. Von 2003 bis 2008 als Trainer in der Akademie und bei den Austria Amateuren. Von Jänner 2011 bis Juni 2013 Co-Trainer der Kampfmannschaft, dabei österreichischer Meister.

Und seit Juni 2021 Trainer der Kampfmannschaft seiner Wiener Austria, prompt mit Platz 3 und der Qualifikation für eine internationale Gruppenphase als Überraschung der Bundesliga-Saison.

Manfred Schmid ist ein violettes Urgestein. Eine Bezeichnung, die zwar zu seiner langen FAK-Laufbahn passt, nicht aber zu seiner täglichen Arbeit als Cheftrainer. Da ist keine Spur von einem Urgestein, sondern es ist ein flotter, moderner, taktisch affiner Fußball, den die Veilchen unter ihm zeigen. Gelingt das auch in hochintensiven englischen Wochen? Welche Spieler werden dabei im Mittelpunkt stehen? Und wie steht’s eigentlich um Schmids eigenen Vertrag, der 2023 ausläuft?

Unter anderem dazu stand Manfred Schmid im Gespräch mit verteilerkreis.at Rede und Antwort.

verteilerkreis.at: Du betonst regelmäßig, dass es auch Wichtigeres auf dieser Welt als den Fußball gäbe. Wie oft hast du dich daran am Sonntag-Abend erinnert, um den Ärger nach dem Altach-Spiel zu minimieren?

Manfred Schmid: In dem Moment war ich wirklich stinksauer, die Mannschaft hat es auch gemerkt. Es ist auch gut so, dass wir am nächsten Tag frei haben, das ist für mich ganz wichtig, um wieder herunterzukommen, das Spiel nochmals zu betrachten, zu analysieren und dann geht’s ganz normal weiter. Ich kann es nicht mehr ändern, die Fehler sind passiert und ich hoffe, dass die Jungs daraus lernen.

In meiner Analyse des Spiels habe ich als einen zentralen Punkt festgemacht, dass Altach in der zweiten Halbzeit zu zahlreichen Flanken von der rechten Seite kam. Thurnwald hatte insgesamt 94 Ballaktionen, im Zentrum hatte Nuhiu zudem mit Ranftl oft einen ungleichen Gegenspieler. Hat Altach da die Systemumstellung der Austria zur Pause sehr geschickt genutzt?

Ich glaube, dass man das ganze Spiel über gesehen hat, dass wir schwierig in das Spiel gestartet sind, es dann aber ziemlich ausgeglichen war. Ich würde sagen, dass wir die besseren Torchancen hatten, wir machen das 1:0 und gehen damit in die Pause, in der wir das System umgestellt haben. Nach der Systemumstellung haben wir das Spiel eigentlich klar kontrolliert. Dann kommt es zu einer Freistoßsituation, bei der Tabakovic umgelaufen wird, aus dem Spiel muss und wir bekommen in einer Position das Gegentor, auf der Tabakovic normalerweise stehen würde. Ich würde nicht sagen, dass Altach das gut ausgenutzt hat, sondern dass wir es schlecht verteidigt haben, nicht so aggressiv waren in den Zweikämpfen wie wir es normalerweise sind.

Nach Altach ist vor der WSG Tirol. Wir befinden uns gerade in der letzten „normalen“ Trainingswoche mit einigen Tagen Zeit zwischen zwei Bundesliga-Spielen. Wie sieht so eine Woche üblicherweise aus?

Wir haben leider in dieser Vorbereitung kaum unseren Rhythmus trainieren können. Der sieht normal so aus, dass wir Samstag spielen, Sonntag frei haben, Montag am Nachmittag und Dienstag zwei Mal trainieren und dann bis zum nächsten Spiel jeweils einmal trainieren.

Wie intensiv ist dabei in der Regel die Aufarbeitung des letzten Spiels?

Sehr intensiv. Wir sind heute das Spiel in Altach durchgegangen. Wenn wir Nachmittagstraining haben, treffen wir als Trainerteam uns gegen 10 Uhr, bereiten das vor, tragen der Mannschaft einige Szenen vor und diskutieren darüber, damit man das letzte Spiel dann auch wieder ad acta legen kann. Zusätzlich gibt es immer wieder Gruppenanalysen nur mit Abwehr-, Mittelfeld- und Angriffsspielern.

Dafür braucht es auch eine gute Arbeitsteilung im Trainerteam. Wie sieht diese in deinem Trainerteam aus, speziell zwischen Cem Sekerlioglu und Mark McCormick?

Grundsätzlich besprechen wir alles gemeinsam. Cem Sekerlioglu ist für die Standardsituationen und das Anlaufen zuständig, Mark McCormick hat seinen Schwerpunkt in der Offensive. Aber alles, was am Platz passiert, ist vorher im Team besprochen.

Manfred Schmid und sein Trainerteam, von links nach rechts: Athletiktrainer Andi Biritz, Videoanalyst Lorenz Kutscha-Lissberg, Co-Trainer Mark McCormick, Co-Trainer Cem Sekerlioglu und Tormanntrainer Udo Siebenhandl.

In Kürze starten zahlreiche englische Wochen. Die extreme Belastung in den englischen Wochen ist körperlich fordernd, Stichwort Verletzungsrisiko und Frische, aber auch psychisch und taktisch. Worin siehst du die größte Herausforderung?

Ich glaube, die größte Herausforderung liegt in einer guten Planung. Wichtig wird es sein, dass wir unsere Reisen so planen, dass die Spieler eine möglichst geringe Belastung haben, dass wir die Ernährung vor und nach dem Spiel so zur Verfügung stellen, dass das hundertprozentig passt, dass die Spieler genügend Schlaf haben und dass die Reisebelastung möglichst gering ist. Darum ist es auch so, dass wir nach den internationalen Auswärtsspielen immer übernachten werden und versuchen, noch dort zu trainieren bzw. zu regenerieren und erst dann weiterzureisen. Dazu gehört natürlich auch die Planung im taktischen und analytischen Bereich. Es werden sehr viele Analysen sein, wir werden jeden Tag Besprechungen haben, aber da ist es auch wichtig, die Mannschaft nicht zu überfrachten mit Taktik und Videos, sondern man muss ihnen auch einmal einen gewissen Freiraum schaffen, um abschalten zu können.

Umso zentraler ist in englischen Wochen eine gute Rotation in der Startelf. Die Austria hat einen so breiten Kader, dass es in verletzungsfreien Zeiten möglich wäre, am Wochenende auf allen elf Positionen zu rotieren und dennoch Bundesliga-Qualität zu haben. Wie viel Rotation verträgt eine Mannschaft? 

Die Interpretation, dass wir auf jeder Position rotieren können, kommt jetzt von dir. Ich glaube, wenn man das Spiel in Altach gesehen hat, sieht man, dass wir auf manchen Positionen nicht doppelt besetzt sind. Die Rotation hängt immer von der Qualität des Kaders ab. Ich bin ein Freund davon, maximal drei, vier Spieler zu rotieren und dann aber immer wieder auf verschiedenen Positionen. Grundsätzlich gibt es da auch Unterschiede und Spieler, die die Belastung leichter verkraften. Wenn man sich Eintracht Frankfurt ansieht, haben die beispielsweise in der vergangenen Saison relativ wenig rotiert. 

Ferdinand Feldhofer, Trainer unseres Erzrivalen, hat angekündigt, bei einer internationalen Teilnahme immer wieder einen Spieler-Pool nicht zu einer Auswärtsreise am Donnerstag mitzunehmen, sondern in Wien mit einem eigenen Co-Trainer trainieren zu lassen, um dann am Sonntag mit frischen Kräften in der Bundesliga zu spielen. Ist das auch ein paar Kilometer weiter in Favoriten eine Überlegung?

Beim Thema Rotation kommt ja auch unsere Verletztenliste hinzu. Wir haben derzeit sehr viele verletzte Spieler. Manche davon sind schon länger verletzt, manche haben sich bei den Young Violets verletzt, James Holland ist in Altach umgeknöchelt. Insofern erübrigt sich zumindest jetzt die Frage, ob jemand zuhause bleibt, denn man kann international über 20 Spieler mitnehmen und viel mehr fitte haben wir derzeit ohnehin nicht.

Ich möchte gerne konkret über einige Positionen und Spieler mit dir sprechen. In der linken Außenverteidigung gibt derzeit Marvin Martins eine sehr gute Figur ab, ist als Rechtsfuß aber dennoch keine Optimalbesetzung. Die Austria hat mit El Sheiwi einen sehr talentierten, aber verletzten Linksverteidiger. Es wurde mit Matan Baltaxa ein neuer Linksverteidiger verpflichtet, der aber ebenso bereits seit zwei Monaten verletzt ist und noch nicht im Training steht. War das im Nachhinein gesehen ideal?

Bei Baltaxa war es so, dass er mit einer Knöchelverletzung zu uns gekommen ist. Das wussten wir, aber eigentlich war diese bereits am Abklingen. Die Verletzung war dann aber doch langwieriger als gedacht und er ist bisher ausgefallen. Es ist ganz klar, dass Ziad El Sheiwi der Spieler ist, von dem wir erwarten, dass er in den nächsten Jahren diese Position bei uns einnimmt. Im Moment ist es aber schwierig. Wie du gesagt hast, macht es Marvin Martins sehr, sehr gut im Rahmen seiner Möglichkeiten, aber es ist natürlich nicht seine eigentliche Position und das merkt man. Insofern stimmt es, da sind wir momentan nicht gut besetzt.

Wann könnten El Sheiwi und Baltaxa auf das Feld zurückkehren?

Beide machen Passübungen und alles ohne Körperkontakt im Training bereits mit. El Sheiwi ist jetzt im neunten Monat nach seiner Kreuzbandverletzung. Zuletzt war er in Deutschland bei Mike Steverding und ist jetzt nach drei Wochen dort zu uns zurückgekehrt, macht einen guten Eindruck, muss sich aber erst an das Mannschaftstraining gewöhnen und das wird sicherlich mindestens noch drei, vier Wochen dauern. Bei Baltaxa muss man von Tag zu Tag schauen, wie sich die stärkere Belastung auf seinen Knöchel auswirkt und wie es ihm damit geht, das ist noch schwer abzuschätzen.

Vergleichsweise recht dünn besetzt ist die Austria auch im defensiven Mittelfeld. Hat die Austria hier ungeachtet der Verletzung von Holland noch Bedarf am Transfermarkt?

Man darf nicht vergessen, dass wir in der Liga den Österreicher-Topf haben, auf den wir nicht verzichten wollen. Dadurch ist jetzt Koumetio der Spieler gewesen, der in der Innenverteidigung nicht einmal auf der Bank sitzen durfte, weil wir bereits sechs Legionäre im Matchkader hatten. Man hat dann in Altach gesehen, dass wir derzeit nur schwer eine Dreierkette spielen können und Ranftl da aushelfen musste. Dass wir da noch Bedarf haben, ist klar. Auf der Sechserposition haben wir mit Holland und Braunöder zwei gestandene und dahinter mit Wustinger einen jungen Spieler.

Blicken wir weiter nach vorne, in die Offensive. Marko Raguž wechselte im Sommer zur Austria. Wann wird er für die Veilchen auch am Feld stehen?

Auch er ist momentan bei Mike Steverding in Deutschland und macht dort eine Reha. Wir haben bei seiner Verpflichtung gewusst, dass er verletzt ist. Meine Information von den Ärzten und allen Beteiligten ist, dass er wieder fit wird. Bis jetzt war es noch nicht so, aber ich warte natürlich auf ihn. Das ist ein Spieler, der Qualität hat und wenn er fit gewesen wäre, ist er ein Spieler, den wir wahrscheinlich gar nicht bekommen hätten. Ich habe schon öfter einen Spieler nach einem Tief wieder hinbekommen und deshalb war meine Entscheidung, mich für ihn auszusprechen. Ich hoffe, dass er bald dazu kommt, dann wird er sicherlich ein Spieler, der uns hilft.

Gibt es einen zeitlichen Horizont, den man für das Austria-Debüt von Raguž anstrebt, oder ist das derzeit nicht abzuschätzen?

Absolut nicht abzuschätzen. Ich bin in Austausch mit ihm und mache ihm überhaupt keinen Druck. Ich würde mir wünschen, dass er so schnell wie möglich kommt, aber das ist ein Projekt auf Zeit und wenn wir ihn hinbekommen, wird er ein Spieler, mit dem wir noch viel Freude haben werden.

Schon länger nicht mehr am Feld gestanden ist auch Marco Djuričin. Wie ist sein Status?

Er hat jetzt eine Woche mittrainiert, aber die komplette Vorbereitung versäumt. Er muss jetzt wieder aufgebaut werden. Wenn er dann wieder fit und einsatzbereit ist, ist er absolut wieder ein Thema.

Zuletzt wurden zahlreiche Verträge vorzeitig verlängert. Mir fällt da noch ein Vertrag ein, der 2023 ausläuft… Wurde mit dir bereits gesprochen?

Nein, mit mir hat niemand gesprochen.

Wie viel vor Vertragsende wird das bei einem Trainer überlicherweise zum Thema?

Ich habe verschiedene Situationen erlebt. In Köln haben wir nach dem ersten Jahr verlängert, obwohl wir noch zwei Jahre Vertrag gehabt hätten. Bei anderen Vereinen ist es später. Die Verantwortlichen werden das zum richtigen Zeitpunkt entscheiden. Vielleicht wird auch noch abgewartet, wie die Saison verläuft, das müsstest du eigentlich die Verantwortlichen fragen.

Wir haben zu Beginn unseres Gesprächs gesagt, dass es viel wichtigere Dinge im Leben als Fußball gibt. Unsere Welt schreibt seit Monaten Schlagzeilen, auf die wir gerne verzichten können. Wie politisch ist eigentlich der Mensch Manfred Schmid?

Ich verfolge das natürlich und es ist sehr enttäuschend für mich. Jeder, der mich kennt oder der weiß, wie ich ticke, der weiß auch, dass mir sowas schon sehr nahegeht, die Dinge, die da gerade passieren und unser Umgang miteinander. Wir haben erst vor kurzem in der Corona-Krise geglaubt, unser gesellschaftlicher Zusammenhalt wird besser, das haben viele Menschen schon wieder vergessen. Der Krieg in der Ukraine ist für mich ganz fürchterlich. Ich bin extrem enttäuscht und verärgert, so wie es gerade auf unserer Welt abläuft, wie man miteinander umgeht, wie man mit unserer Weltkugel umgeht, wie man mit unseren Ressourcen umgeht. Mir ist es sehr wichtig, miteinander zu kommunizieren und alle Menschen gleich zu behandeln.

Wenn wir über wichtigere Dinge als den Fußball sprechen, fällt mir einer ein, den auch viele Austria-Fans aus dem Stadion kennen. Wie geht’s deinem Sohn Patrick?

Dem geht’s sehr, sehr gut, denn er befindet sich gerade im Urlaub auf Ibiza. Er war schon immer Austrianer und ist glücklich, dass sein Papa Austria-Trainer ist. Er ist immer wahnsinnig enttäuscht, wenn wir keinen Erfolg haben und wenn er merkt, dass ich dann auch nicht glücklich bin. Wie du richtig sagst, zeigt es mir aber auch, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt, wenn ich schaue, wie es meinem Sohn geht. Es geht ihm gut, er hat ein richtig schönes Leben, genießt es. Ich komme immer wieder heim, zum Beispiel auch jetzt nach dem Spiel in Altach, und denke mir, dass es eigentlich wirklich Schlimmeres auf der Welt gibt und sehe, wie glücklich er mit seinen doch eingeschränkten Möglichkeiten ist. Das zeigt mir auch, dass Fußball Unterhaltung ist, man aber immer wieder auch nach links und rechts schauen sollte. Das habe ich auch meinen Spielern angewöhnt, dass man schaut, wie es anderen Menschen geht, das ein oder andere Mal eine kleine Spende hergibt, einem Obdachlosen mal etwas zu essen kauft oder einfach schaut, wenn es einem Mitmenschen schlechter geht. Da bin ich schon sehr stolz, dass die Mannschaft versucht das umzusetzen. Sie haben Obdachlosen eine Küche gekauft oder zuletzt zu Weihnachten Playstation für Mütter gekauft, bei denen sie gemerkt haben, dass sie es sich alleine nicht leisten können. Die Spieler sind da also schon sehr engagiert und das ist mir auch sehr wichtig, dass man immer wieder schaut, wie es anderen Menschen geht.

Und auch dafür steht Austria Wien. Vielen Dank für unser Gespräch und alles Gute für das Heimspiel gegen die WSG Tirol!

Sehr gerne.

So hat Manfred Schmid im Frühjahr in der Südstadt den Einzug in die Top 6 bejubelt - und so wollen ihn die Austria-Fans noch oft jubeln sehen.

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