Violette Geduld gefordert (contra Trainerwechsel)

Wir leben in einer Gesellschaft, die von manch einem gerne als „Wegwerfgesellschaft“ bezeichnet wird. Kaputte Dinge werden (zu?) schnell weggeworfen und neue gekauft. Vielleicht kann manch ein Fußballtrainer ein Lied davon singen, denn oft reicht eine kurze Serie des Misserfolgs und vorherige Erfolge sind vergessen, sie ihren Job los. So ist der Fußball 2023.

Im Falle von Michael Wimmer ist es nicht mehr eine ganz so kurze Serie des Misserfolgs, wenn man auf die vergangenen fünf Wochen blickt, und vorherige Erfolge sind allein schon mangels Zeit überschaubar. Und trotzdem plädiere ich – nicht nur aus finanziellen Gründen, die bei der Austria eben eine Rolle spielen müssen – für Geduld statt für das zu voreilige Fordern des Trainerkopfes.

Mein Standpunkt ist klar: gemeinsam aus der aktuellen Krise rauskommen, ein Austausch des Cheftrainers wäre meines Erachtens der völlig falsche Ansatz und keine Lösung der Krise, deren Probleme und Gründe nicht auf der Bank sitzen. Ein Trainer, der im Frühjahr durchaus vielversprechende Ansätze gezeigt hat mit zwei Derbysiegen oder zwei Punktgewinnen gegen RB Salzburg, wo man jeweils dem Sieg hinterhertrauern musste, hat es sich aus meiner Sicht verdient, sich aus der aktuellen Situation auch wieder herauszuarbeiten.

Konkret sind für mich drei Argumente ausschlaggebend:

1. Der FK Austria Wien hat sich für eine Spielphilosophie entschieden. Nun ist mir bewusst, dass diese Philosophie nicht bei allen Fans gut ankommt und einige (Defensiv-)Leistungen berechtigte Zweifel an ihr aufkommen lassen. Aber die beiden Wiener Traditionsklubs sind vor allem deshalb dort, wo sie sind, weil viel zu oft ohne Philosophie agiert wurde oder diese nach kürzester Zeit von einer ganz anderen, neuen Philosophie überholt wurde. Eine Philosophie hat nicht kurzfristig Erfolg. Wer einen Weg einschlägt, sollte diesen auch über einen längeren Zeitraum durchziehen und nicht bei den ersten Misserfolgen wieder verlassen. Viel zu oft wurde dies in der Vergangenheit getan. Jetzt ist eine klare Philosophie da. Um über deren Berechtigung zu diskutieren, ist es zu spät, jetzt muss sie konsequent verfolgt und durchgezogen werden.

2. Die Punkteverluste der letzten Wochen sind aus meiner Sicht nicht mit der Spielphilosophie oder Trainerentscheidungen – sei es taktisch oder personell – begründbar. Viel zu oft waren es Gegentore, die nicht auf Taktik oder Fußballlehre zurückzuführen sind, sondern auf Einzelfehler, die wohl in Verunsicherung, Nervosität oder Angst ihren Ursprung hatten. Auch diese mentale Komponente liegt in den Händen eines Trainers und hier ist Wimmer rasch gefordert. Aber die immer wieder aufkommende Diskussion um die Spielidee ist in der Ursachenforschung nebensächlich.

3. Offensichtlich ist, dass Wimmer die Mannschaft weiterhin vollends erreicht und das Team zu ihm steht. Das wird in Äußerungen von Spielern intern wie extern klar, aber auch im Auftreten des Teams, das immer mit einer klaren, sichtbaren Idee auf das Spielfeld kommt und diese auch zu Beginn gut umsetzt – bis das auftritt, was in Punkt 2 erläutert wird. Der Beweis hierfür sind die letzten drei Meisterschaftsspiele, in die die Veilchen jeweils sehr gut gestartet sind. In allen drei Spielen trafen die Veilchen innerhalb der ersten 10 Minuten. Doch in allen drei Spielen kam es auch recht rasch zum Ausgleich des Gegners und ab dann zu Verunsicherung und einem weiteren Gegentor. Im ÖFB-Cup blieb dies glücklicherweise aus. Dass die Austria dort so souverän und eindeutig siegte, spricht dafür, dass Wimmer die Mannschaft gut erreicht und sie umsetzungswillig ist.

Sollte die Austria ihre Abwärtsspirale nicht innerhalb der nächsten drei bis vier Spiele stoppen können, könnten der öffentliche Druck und die Unruhe so groß werden, dass ein Trainerwechsel fast unausweichlich wird, um einen Akzent zu setzen und den Spielern Glaube an Besserung zu geben. Derzeit aber scheint dies zurecht kein Thema zu sein. Ein Trainer hat es sich verdient, sein Team und sich aus einer Krise auch wieder herauszuarbeiten. Es gibt gute Argumente, dass Michael Wimmer dies gelingen wird – vielleicht beginnend am Sonntag gegen den Lieblingsgegner der letzten Jahre.

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Antworten

  1. Ich bin der Meinung, dass Mani sich gegen die neue Spielphiosophie gewehrt hat, da er ohne diese starre Vorgabe besser auf die individuellen Qualitäten unserer Spieler eingehen konnte und sie damit fördern konnte. Mein liebstes Beispiel dafür ist Fischer, der unter Mani so stark war, wie nie zuvor und danach.
    Nachdem Wimmer aber augenscheinlich auch einen guten Zugang zu den Spielern findet, sehe ich es weit sinnvoller die vorgegebene Spielphiosophie etwas flexibler zu gestalten. Um Wimmer breitere Möglichkeiten zu geben die individuellen Stärken unserer Jungs wieder besser hervor zu heben und ihnen damit mehr Sicherheit zu geben.
    Es macht den Anschein, als würde dies in kleinen Schritten bereits geschehen, da schon einige Male im Spiel auf eine Viererkette umgestellt wurde. Leider immer erst, wenn die Not schon sehr groß war.
    Wir werden jetzt unseren Erzrivalen besiegen und von diesem Erfolg beflügelt wieder in die Erfolgsspur zurück finden – mit Wimmer als unserm Trainer! Hoch Austria!

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