Und jetzt?

Die Wiener Austria ist gut drauf. Nur eines ihrer letzten 12 Spiele (saisonübergreifend und inkl. Vorbereitung) hat sie verloren, in der Vorbereitung blieb sie ungeschlagen, auch gegen den türkischen und den zypriotischen Meister, der bosnische Vizemeister wurde in der UEFA Conference League Qualifikation geschlagen, mit einem Fuß stehen die Veilchen dort bereits in Q3. Es war kein großer Umbruch, sondern einzelne Ergänzungen wurden am Transfermarkt getätigt, dabei Leistungsträger anderer Bundesliga-Vereine, aber auch interessante Perspektivspieler geholt. Die Spielidee, die seit Winter verfolgt wird, scheint immer mehr zu greifen. Es ist ein interessanter Fußball, den die Wimmer-Elf auf den Rasen bringt.

Der Saisonauftakt ist missglückt. Gegen Banja Luka konnte die Austria in letzter Sekunde noch gewinnen, nachdem zuvor mehr als ein Dutzend internationaler Spiele nicht mehr gewonnen wurde. In der Bundesliga gab es gegen Sturm Graz nicht nur nichts zu holen, sondern eine feste Schlappe, bei der die Austria mit 0:3 noch gut bedient war. Wo wäre die Austria in den letzten Monaten gewesen, hätte sie nicht Haris Tabakovic gehabt? Er ist jetzt auch noch weg, um ein Butterbrot noch dazu, weit unter seinem Marktwert. Ein Stamm-Innenverteidiger fehlt jetzt auch noch drei Bundesliga-Runden. Nun warten vier Auswärtsspiele in Folge (internationaler Aufstieg vorausgesetzt), das könnte ordentlich bitter werden.

Ist das Glas halbvoll oder halbleer? Sowohl der erste als auch der zweite Absatz hätte der Einstieg in diesen Bericht sein können. Bei welchem hast du dich eher abgeholt gefühlt und zustimmend genickt?

Es symbolisiert, wo die Wiener Austria gerade steht – nämlich am Scheideweg und einem Punkt, wo noch nicht ganz einzuschätzen ist, wohin die Reise geht.

Auf der einen Seite war die Vorbereitung sehr gut, der Cup-Auftritt in Spittal an der Drau souverän, beim internationalen Heimspiel gegen Banja Luka attestierten alle Experten den Veilchen einen sehr guten Auftritt, der mit etwas mehr Spielglück (z.B. fehlender Elferpfiff, Stangenschuss, Holland-Großchance) auch eindeutiger ausgehen hätte können.

Auf der anderen Seite wurde der Austria gegen Sturm Graz klar aufgezeigt, wo ihre Grenzen sind. Das ist nicht ganz neu, sondern war bereits im Frühjahr gleich drei Mal so. Während man Salzburg Paroli bieten konnte, waren die drei Aufeinandertreffen mit den Grazern recht eindeutige Niederlagen – wenn auch nie so eindeutig wie am vergangenen Sonntag in der neuen Saison. Dalibor Babic hat auf abseits.at (Link) gewohnt präzise die Probleme der Violetten in diesem Spiel analysiert. Diese lagen – kurz zusammengefasst – genau dort, wo die Austria eigentlich ihre Stärken haben möchte, nämlich gegen den Ball und rund um zweite Bälle. Sehr viele individuelle Fehler, sei es technisch oder taktisch, auch von sonst verlässlichen Spielern wie Fitz, Braunöder oder Ranftl, hatten großen Anteil am schwarzen Nachmittag des vergangenen Sonntags. Sinnbildlich stand die rote Karte für Marvin Martins: auf der einen Seite unglücklich wie vieles im Spiel, auf der anderen Seite aber schlecht verteidigt, weniger von ihm, sondern noch mehr von den zurück trabenden Kollegen, in dem Fall insbesondere Johannes Handl, die Unterstützung verwehrten.

Vielleicht hätte die Austria am Sonntag noch schlechter ausgesehen, wäre die Ausstiegsklausel von Haris Tabakovic nicht mit 31.7. abgelaufen, sondern beispielsweise mit 28.7., also vor dem Spiel gegen Sturm. Weite Bälle auf ihn, die er überwiegend gut sichern konnte, waren ein zentraler Teil des FAK-Matchplans, um die erste Pressinglinie der Grazer zu überspielen, zumal Ilzer hier gegen die Austria stets auf ein Anlaufen im 3er-Verbund (Prass neben der Doppelspitze) setzt. So sehr es der Austria schmeichelt, dass der Gegner seine sonst sehr fixe Formation gegen sie adaptiert (wie auch im Finish des Spiels generell auf eine Fünferkette), so wenig fand die Austria in bisher vier Fällen ein Rezept dagegen.

Haris Tabakovic ist laut verteilerkreis.at-Informationen für eine sechsstellige Summe nach Berlin gewechselt. Christian Früchtl könnte noch selbige Stadt anvisieren. Dominik Fitz wäre gerne ein paar Bundesländer weiter, nach Gelsenkirchen, gewechselt, wäre der dortige Verein nicht abgestiegen, sucht aber ebenso nach einer Herausforderung in der höchsten Spielklasse eines anderen Landes wie Matthias Braunöder, der sich bereit für den nächsten Schritt fühlt. Auch der blonde Mittelfeldspieler hat eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag. Anders als bei Tabakovic, liegt die aber weit über Braunöders aktuellem Marktwert – und auch weit über den bisherigen Angeboten, beispielsweise aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt.

Es werden also noch aufregende Wochen bis 1. September, wenn in Österreich das Transferfenster schließt. Der nächste Schritt dieses Fensters wird die Verpflichtung eines Legionärs, der an vorderster Front Haris Tabakovic ersetzen soll, auch als großer Spielertyp, der Bälle sichern kann. Hierfür sind die Verhandlungen in der Zielgerade, aber auch vom Abschneiden am Donnerstag in Banja Luka abhängig. Im zentralen Mittelfeld hat die Austria Gespräche mit Matthäus Taferner geführt, weiß aber nicht zuletzt deshalb, weil er bei der FAK-nahen Agentur ROOF unter Vertrag steht, dass er lieber ins Ausland wechseln würde als in Österreich zu bleiben. Unter dieser Intention hat er Manfred Schmid eine Absage für dessen Angebot zur Vertragsverlängerung, das den WAC an seine finanziellen Grenzen brachte, erteilt.

Die Unklarheit, wo die Austria denn nun (noch nicht) steht, entstanden durch den schwachen Auftritt gegen Graz und den Abgang des Topstürmers, sollte sich in den kommenden vier Tagen legen.

Am Donnerstag gastiert die Austria in Bosnien. Wer Michael Wimmer kennt, wird dort trotz des Hinspiel-Ausgangs keine abwartende Austria erwarten, sondern eine violette Elf, die offensiv auf Sieg spielt. Trotz des 1:0 erwartet das Trainerteam abermals eine tiefstehende bosnische Mannschaft, die den Gästen das Spiel überlassen und auf Konter lauern wird.

Direkt aus Banja Luka reist die Austria am Freitag nach Vorarlberg. Dort treffen Galvao & Co. am Sonntag einmal mehr auf Austria Lustenau. Im Ländle ist die Austria seit eineinhalb Jahren ohne Sieg – ein Mal in Altach, zwei Mal eben in Lustenau.

Auch nach den Schocks rund um El Sheiwi und Wustinger, wird die Austria bei Muki Huskovic kein Risiko eingehen. Trotz des Tabakovic-Abgangs ist er eher noch kein Startelf-Thema. Für diese kommen im Angriff viel eher Andreas Gruber, Romeo Vucic und unter Umständen auch Manuel Polster in Frage. Keiner bringt die Körperlichkeit des Schweizer Abgängers mit, jedoch mehr Schnelligkeit und Gang in die Tiefe. Vor allem unter diesem Aspekt ist eine veränderte Austria in Bosnien und Vorarlberg zu erwarten, womöglich auch in der Formation mit einem 3-5-2 statt 3-4-3.

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