The Hammer and the Dance – das violette Jahr 2021

[dropcap]E[/dropcap]in Rückblick auf das Jahr 2021 kann kaum ohne eine Erwähnung des Corona-Virus auskommen. Versprochen, dieser Rückblick versucht dies fortan sehr wohl. Und dies, obwohl ein viel zitierter Artikel aus der Anfangszeit der Pandemie auch das violette Jahr gut beschreibt. Unter dem Titel „The Hammer and the Dance“ erklärte Stanford-Absolvent Tomas Pueyo, wie auf strenge Maßnahmen – als Hammer – regelmäßig wieder Lockerungen – Phasen des Tanzes – folgen müssen. Eine solche Abfolge von Hammerschlägen und Tänzen erlebte auch Austria Wien 2021: Kaum war aufgrund der guten sportlichen Entwicklung Grund für Tanz, Freude und Jubel, folgte der Hammer mit einem meist finanziell begründeten Rückschlag. Das Resultat? Ein Jahr, das der violetten Seele genauso Existenzängste und Verunsicherung wie Zuversicht und Spaß bot.

Sportlicher Aufwind

Indes startete 2021 für die Wiener Austria gut: Mit den Verpflichtungen von Marco Djuricin und Eric Martel konnten das Winter-Transferfenster vielversprechend gestaltet werden, zwei Auswärtssiege in Ried und der Südstadt ließen die Hoffnung auf das obere Play-Off hochleben. Mit Niederlagen gegen die Steiermark – vertreten durch den TSV Hartberg und Sturm Graz – musste diese Hoffnung aber auch rasch wieder begraben werden. Ein violettes Déja-vu im Kreise der unteren Sechs war das Alternativprogramm, das abermals erfolgreich überwiegend gestaltet werden konnte. Es waren dies die Wochen, in denen Peter Stöger und sein Team wichtige Weichen stellten, auf denen sein Nachfolger heute aufbauen kann. Diese Entwicklung zeigte sich spätestens in drei starken und siegreichen Play-Off-Spielen in Hartberg sowie gegen den WAC, die das Ticket für die UEFA Conference League bedeuten.

Wir haben uns das erarbeitet und uns in den letzten Wochen als Mannschaft gut entwickelt. Weil viele Spieler, das Trainerteam und auch Betreuer, die lange für den Verein gearbeitet haben, nach der Saison gehen, haben wir uns als Truppe geschworen, dass wir für uns, für den Klub etwas erreichen wollen und dann ein bisschen feiern können.Markus Suttner auf Sky nach dem Playoff-Sieg gegen den WAC am 30.05.2021

Wirtschaftlicher Abgesang

Dass der eben erwähnte Peter Stöger am 10. April seinen Abschied vom Verteilerkreis ankündigte, war eines von vielen Nebengeräuschen des Frühjahrs 2021 – und Stöger sollte längst nicht das einzige scheidende Austria-Urgestein bleiben. Wenn Stögers Abschied bereits als ein Schlag mit dem Hammer gilt, waren die Ereignisse der folgenden Tage wohl eher eine Atombombe. Am 13. April wurde dem FK Austria Wien die Lizenz für die Saison 2021/22 verweigert. Die prekäre finanzielle Lage schlug sich Schwarz auf Weiß auf dem Briefpapier der Bundesliga nieder, nur wenige Tage blieben, um aus den nicht abwegigen Ängsten rund um ein Ende der Wiener Austria keine Realität werden zu lassen. Dass dies letztendlich gelang und die Lizenz in zweiter Instanz mit Auflagen erteilt wurde, ist einigen finanziell gut situierten Herren aus dem Umfeld der Veilchen zu verdanken.

Wir wissen durch den erhaltenen Lizenzentscheid ganz genau, welche Anforderungen an uns gestellt werden und worauf wir uns fokussieren müssen. Wir werden alles unternehmen, um die zusätzlichen Informationen fristgerecht einzubringen.Frank Hensel zur verweigerten Lizenz.

Beginn und Ende einer Ära

Nicht ist der Lizenzerhalt der Verdienst jener Gruppe, deren Präsentation viel „Dance“ versprach und deren Engagement letztendlich viele Hammerschläge auf das violette Image bescherte. Auch Insignia gehörte zum violetten Jahr 2021. Dass der strategische Partner im Jahresrückblick 2022 wohl kaum mehr eine Nennung finden wird, liegt an der Zusammenarbeit im zurückliegenden Jahr. An kaum einem Beispiel lässt sich so gut veranschaulichen, inwieweit Licht und Schatten 2021 abwechselten: Auf der einen Seite die Hoffnung auf eine Rückkehr in die sportliche Erfolgsspur mit großen Zielen, viel Geld und neue Sponsoren zu Beginn, auf der anderen Seite schon kurz später die Realität, die mehr kuriose Interviews als Banküberweisungen umfasste. Dass sowohl der Beginn als auch das Ende des strategischen Partners in ein und dem selben Jahresrückblick liegen, sagt viel über die Qualität ebendieses Partners aus. Insignia war ein oft präsenter Baustein des violetten Jahres, der letztendlich sehr eindeutig in die Kategorie der Flops einzuordnen ist. 

Wir glauben an das Potenzial der Austria, eine der besten und bedeutendsten Marken im Fußball zu werden.Luka Sur bei der Präsentation als strategischer Partner am 04.03.2021

Eine Ära mit Folgen

Der erhoffte persönliche Befreiungsschlag wurde der Insignia-Deal für Markus Kraetschmer nicht – im Gegenteil. Der langjährige Vorstand der Austria, der die letzten Jahre des Vereins so prägte und dabei zugleich so polarisierte wie kaum ein anderer, stand knapp vor der Verlängerung seines auslaufenden Vertrags, als sich die Gremien doch noch gegen diese entschieden. Am 30. Juni endete eine über 20 Jahre dauernde Ära in der Fischhofgasse, die mit Magna, AG-Ausgliederung, Meister- sowie Cuptiteln und Champions League-Teilnahme aufregende Zeiten, schlussendlich aber auch einen großen Scherbenhaufen als Nachlass brachten. Die Suche nach dem Glück im Unglück obliegt seit 1. Mai Gerhard Krisch, seit 1. Juli als alleiniger Vorstand der FK Austria Wien AG.

Euren Familien und euch wünsche ich vor allem Gesundheit und Erfolg. Wie heißt es so schön: Im Leben sieht man sich immer zweimal und im Fussball viel, viel öfter! Insofern heißt es nicht „Lebewohl“, sondern „Auf bald einmal“. Nochmals herzlichen Dank für alles und Viola per sempre!Markus Kraetschmer auf Twitter bei seinem Austria-Abschied am 30.06.2021

Unser Weg.

Krisch ist nicht das einzige neue Gesicht, das der Sommer 2021 hervorbrachte. Die Wiener Austria bekam einen gänzlich neuen Anstrich: Aus Kraetschmer wurde Krisch, aus Stöger wurden Manfred Schmid (als Trainer) und Manuel Ortlechner (als Sportdirektor), aus Christoph Glatzer wurde Florian Mader (als Akademie-Leiter), aus „Anspruch und Stil“ wurde „Unser Weg“ (als Marketing-Slogan). Tatsächlich ist die DNA dieses Weges mit freiem Auge sichtbar: junge Talente, vorwiegend aus der eigenen Akademie, bekamen in der Herbstsaison 2021 so viele Chancen wie wohl noch nie. Und sie nützten diese Chancen, ganz egal, ob Matthias Braunöder, Muharem Huskovic, Ziad El-Sheiwi, Can Keles oder Leo Ivkic. Das Resultat waren viele erfrischende Auftritte einer engagierten, spielfreudigen Austria-Mannschaft und Ergebnisse, die die im Sommer intern formulierten Erwartungen übertrafen. Die zweitwenigsten Niederlagen sowie Gegentore, jeweils hinter Red Bull Salzburg, drückten diese positive Entwicklung in Zahlen aus, auch wenn man dem oberen Play-Off noch hinterherläuft.

Viola Investment – Hammer oder Dance?

Es wäre nicht die Wiener Austria, wäre auf diese Phasen des Tanzes nicht rasch wieder der Hammer gefolgt: sportlich die nicht erfüllte Favoritenrolle gegen Breidablik (in der UEFA Conference League) und Kapfenberg (im ÖFB-Cup), rundherum die weiterhin finanziell angespannte Situation, die unter Hochdruck die Suche nach einem Investor notwendig machte, der eine achtstellige Euro-Summe beisteuern sollte, um das Überleben des FAK zu sichern. Im Endspurt des alten und Beginn des neuen Jahres konnte diese Suche abgeschlossen werden. Kann die Viola Investment GmbH künftig wieder zu reichlich „Dance“ statt schmerzhaften Hammerschlägen auf das violette Gemüt verhelfen?

Diese junge Mannschaft hat der Austria ein neues Gesicht gegeben. Das honorieren nicht nur die Fans, die eine Freude damit haben, das wirkt sich auch auf Sponsoren und Investoren aus. Es ist ja so, dass nicht nur viele Junge spielen, man sieht auch in jedem Spiel, wie sie alles für die Farben der Austria geben.Manfred Schmid im Interview mit dem „Kicker“ am 03.12.2021

Fazit

2021 war für Austria Wien ein Jahr, das abwechslungsreicher, turbulenter und besorgniserregender war als es hätte sein müssen. Über Existenzängste, Lizenzsorgen, einen hohen Schuldenberg und das Insignia-Debakel berichteten Medien ausreichend, sodass dieser Jahresrückblick mit gutem Gewissen mit den Hoffnungsfunken des Jahres schließen kann. Der Eindruck, dass sowohl sportlich als auch finanziell in diesem Jahr die Wende geschafft wurde, hält sich hartnäckig und wurde nahezu wöchentlich mit guten Auftritten einer talentierten Austria-Mannschaft untermauert. Und trotzdem ist die Austria-Seele gut beraten, sich 2022 wieder auf viel „Hammer and Dance“ einzustellen. Aber nicht erst heute gilt: Austrianer ist, wer es trotzdem bleibt.

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