Alexander Schmidt. Austrianer.

Foto: Daniel Shaked

Vielleicht wäre Alexander Schmidt auch für die Öffentlichkeitsarbeit des FK Austria Wien eine Verstärkung. Nach seiner Matura hat er Medienmanagement studiert, berufsbegleitend zu seiner Karriere als Bundesliga-Spieler. Matura und Studium allein sind nicht gleich mit großem Intellekt verbunden, aber es passt in das Bild, das Bekannte von Alexander Schmidt zeichnen: ein kluger, reflektierter, nachdenklicher junger Mann, der auch selbstkritisch ist, dementsprechend Vertrauen von Mitspielern und Trainerteam braucht.

Dass Schmidt obendrein ein Familienmensch ist, war mit ein Argument, um zu seiner Familie zurückzukehren – nämlich nach Wien. Dort, wo Alexander vor 25 Jahren auf die Welt kam und woher seine Mutter stammt. Sein Vater stammt aus dem Senegal, ist beruflich bedingt aber ohnehin viel in Europa unterwegs. Nicht der Beruf, sondern sein Sohn brachten ihn auch nach Vizela in Portugal, denn dort hat Sohn Alexander zuletzt gekickt.

Jetzt kicken Sohn und Tochter wieder in der selben Stadt. Catherine Schmidt ist Verteidigerin beim Wiener Sportclub. Sie ist die um vier Jahre jüngere Schwester von Alexander, ihrem großen Bruder, der offensiver spielt als sie. Gemeinsam waren sie in ihrer Jugend bei der Vienna, auch beim SKN St. Pölten kickten die Geschwister zur selben Zeit, nämlich in der Saison 2020/21.

Diesmal trennen Alexander und Catherine fußballerisch ein paar Kilometer. Alexander wird künftig am Verteilerkreis auflaufen und soll die Wiener Austria verstärken. Dass Jürgen Werner Alexander Schmidt verpflichtet, ist ein Déja-vu, denn dies ist schon im Sommer 2020 so geschehen. Der LASK holte Schmidt aus Liefering und verlieh ihn prompt nach St. Pölten weiter. Als er dort wie am Fließband traf (10 Tore in seinen ersten 12 SKN-Spielen), überlegte Werner, die Leihe abzubrechen und Schmidt vorzeitig zum LASK zurückzuholen, denn der stärkste Stürmer des LASK hatte sich gerade verletzt und drohte länger auszufallen. Damals war noch nicht klar, wie lange die Leidenszeit dieses verletzten Stürmers tatsächlich wird. Sein Name lautet Marko Raguz.

Jürgen Werner wollte dem SKN St. Pölten gar Ablöse zahlen, um den eigenen Leihspieler vorzeitig zurückzuholen. Sportdirektor Zellhofer lehnte ab, zu wichtig war Schmidt in der guten Herbstsaison. Dass es im Frühjahr nur mehr zu einem Sieg in 20 Spielen reichte, ahnte der Ex-Austria-Trainer damals noch nicht, als auf der Trainerbank mit Robert Ibertsberger und danach Gerald Baumgartner zwei weitere Ex-Austria-Trainer saßen. Aber die Austria hat ja auch viele Ex-Trainer.

Schmidt kehrte planmäßig erst im Sommer 2021 zurück nach Linz kehrte, Werner war dort inzwischen Geschichte. Auf Anhieb wurde Schmidt unter Trainer Thalhammer Stammspieler, auch in der UEFA Conference League lief er regelmäßig auf, die UEFA Europa League kannte er ohnehin schon aus Wolfsberger Zeiten. Der sportliche Erfolg blieb aus, der Trainer wurde gewechselt, Schmidt fiel krank kurzzeitig aus und verlor seinen Stammplatz. Unter dem neuen Trainer Andreas Wieland kam Schmidt zwar in nahezu jedem Spiel zu einem Einsatz, meist jedoch nur als Joker. Insgesamt gelangen Schmidt in 34 Spielen für den LASK fünf Tore und drei Assists. Ein abermaliger Trainerwechsel verlief zu Schmidts Ungunsten. Mit dem neuen Cheftrainer, Dietmar Kühbauer, wurde der Stürmer nicht warm und wollte den LASK verlassen. Erstmals führte Schmidts Weg ins Ausland, zum portugiesischen Erstligisten FC Vizela, wo er selten auflief und ohne Tor blieb.

Eine Saison ohne Tor. So erging es Schmidt auch bereits beim Wolfsberger AC. Dorthin verlieh ihn Red Bull Salzburg. Auch die Sportabteilung des Red Bull-Konzerns ist ein Teil von Schmidts Geschichte. Dieser Teil beginnt beim First Vienna FC, wo der damals noch nicht 1,93m große Alexander Schmidt seine Schuhe schnürte und andere Stürmer-Talente wie Sasa Kalajdzic in den Schatten stellte. Scouts aus mehreren Ländern waren regelmäßig in Wien-Döbling, um diesem talentierten Stürmer auf die Beine zu stellen. Red Bull Salzburg hatte die besten Argumente. Inzwischen liegt dies elf Jahre zurück. Schmidt verließ als 14-Jähriger die Bundeshauptstadt und durchlief die gesamte Red Bull-Akademie. 

Das Highlight dieser Zeit steigt am 24. April 2017. UEFA Youth League, Finale in Nyon. Red Bull Salzburg trifft in ebendiesem auf Benfica Lissabon. In der 68. Minute wechselt Trainer Marco Rose Alexander Schmidt ein, zwei Minuten später gleicht Patson Daka aus, kurz später gelingt Hannes Wolf sein zweiter Assist zum Siegestreffer. Der Torschütze für diesen Sieg der UEFA Youth League? Alexander Schmidt.

Der bullige Stürmer nimmt viel Selbstvertrauen mit, trifft auch im darauffolgenden Herbst in vier Spielen der UEFA Youth League vier Mal. Zur selben Zeit schreibt er mit vier Toren für den FC Liefering auch im Erwachsenenfußball erstmals an. Und dann kommt das Jahr 2018. Eine Schambeinentzündung stoppt den aufstrebenden Stürmer fast ein ganzes Jahr lang. Er wird im Winter 2018/19 wieder fit, trifft noch vier weitere Mal für den FC Liefering, wird dann aber dort nicht mehr gebraucht und nach Wolfsberg verliehen. Weil er dort eine unglückliche Figur abgibt, sieht Red Bull keine Zukunft für den Wiener. Es ist dies der Moment, wo Jürgen Werner Lunte riecht, um einen talentierten Stürmer günstig nach Linz zu lotsen.

Das tut Werner jetzt erneut – diesmal nach Wien. Schmidt ist ein großer, robuster, kopfballstarker Stürmer, der Haris Tabakovic als Spielertyp gut ersetzen kann. Dass er gar Wiener ist, ist ein netter Nebeneffekt für Fußball-Romantiker; dass u.a. Werner, aber auch einige FAK-Spieler wie Holland, Gruber und Potzmann ihren alten, neuen Mitspieler gut kennen, noch wichtiger. Das entscheidendste Argument ist aber, dass Schmidt mit einem intensiven Fußball, in dem er als Stürmer aggressiv gegen den Ball arbeitet und hoch presst, groß geworden ist. Schmidt hat großartige Anlagen, verfügt über viel Talent, war in seiner Jugend nicht umsonst bei vielen europäischen Klubs gefragt und Shootingstar der Bundesliga-Herbstsaison 2020.

Dass ihn beispielsweise abseits.at als “One-Season-Wonder” bezeichnet, kommt aber auch nicht von ungefähr. Es ist dem Stürmer bisher nicht gelungen, über einen längeren Zeitraum regelmäßig ins Tor zu treffen, seine außerordentlich starke Herbstsaison in St. Pölten konnte er in den darauffolgenden Jahren nicht mehr wiederholen. Nun kommt Schmidt nach einer Saison in Portugal, in der er selten spielte und nie traf, zur Austria – ohne Spielpraxis, mit wenig Selbstvertrauen. Umso mehr sollten die Austria-Fans Geduld mit dem 25-Jährigen haben – aber auch nicht vergessen, dass Marvin Martins aus Portugals 2. Liga kam und Haris Tabakovic im Alter von 25 Jahren gerade zum ungarischen Verein Diósgyőri VTK wechselte und dort in 21 Spielen zwei Tore erzielte.

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